Heiko Hoffmann: Herr Habben Jansen, wie blicken Sie auf das abgeschlossene Geschäftsjahr 2021?

Rolf Habben Jansen: Der Jahresverlauf war insbesondere durch die starke Nachfrage nach Exportgütern aus dem asiatischen Raum bestimmt. Infolgedessen haben wir signifikant höhere Spotraten am Markt gesehen und ein im Vorjahresvergleich starkes Ergebnis erzielt. In dieser Hinsicht war es ein sehr erfolgreiches Jahr für uns und auch ganz besonders für unsere Aktionärinnen und Aktionäre. Gleichzeitig haben wir jedoch einen deutlichen Anstieg der Transportaufwendungen aufgrund der erheblichen Engpässe in den globalen Lieferketten zu verzeichnen. Letztere sind eine enorme Herausforderung für alle Markteilnehmer und haben leider auch vielen unserer Kunden das Leben schwer gemacht.

Welche Maßnahmen haben Sie diesen Engpässen entgegensetzen können?

Wir haben zu Beginn der Coronavirus-Pandemie Maßnahmen etabliert und an diesen festgehalten. Wir haben Kapazitäten in stark nachgefragte Fahrtgebiete verlagert, unser Servicenetz weiter optimiert und Schiffe umgeleitet, um überlastete Häfen zu umfahren. Wir haben gebrauchte Tonnage gekauft, zusätzliche Schiffe eingechartert und Extra Loader eingesetzt. Darüber hinaus haben wir in neue Schiffe investiert, sodass unser Orderbuch nunmehr 22 Einheiten mit einer Kapazität von insgesamt rund 400.000 TEU umfasst. Zudem haben wir im abgelaufenen Geschäftsjahr rund 300.000 TEU an neuer Containerkapazität gekauft oder geleast und die Reparatur und Wartung älterer Container intensiviert. Weiterhin haben wir Personal und IT-Kapazitäten aufgestockt, die Digitalisierung vorangetrieben und für unsere Kunden neue Produkte wie etwa Quick Quotes Spot entwickelt, mit dem sie mehr Planungssicherheit erhalten. Wir konnten die Anzahl der Buchungen über unseren Web Channel gegenüber dem Vorjahr insgesamt deutlich steigern. So wurde etwa jeder vierte Container bereits online gebucht. Den größten Beitrag haben aber ganz sicher unsere 14.100 weltweiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geleistet, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre und die alles gegeben haben, um die Lieferketten unserer Kunden intakt zu halten.

Inwieweit hat sich das außergewöhnliche Marktumfeld auf Ihre Strategie ausgewirkt?

Wir haben das Marktumfeld als Anlass genommen, unsere Strategy 2023 nachzuschärfen. Denn auch wenn wir seit dem Start unserer Strategie im Jahr 2018 gut vorangekommen sind und all unsere finanziellen Ziele früher als erwartet erreicht haben, so möchten wir gut vorbereitet sein, wenn die Märkte sich wieder normalisieren. Zudem müssen wir uns beim Thema Qualität weiter verbessern, denn viele Kunden haben aufgrund der Engpässe in den Lieferketten im letzten Jahr nicht den Service bekommen, den sie von uns kennen und zurecht erwarten. Darüber hinaus werden Nachhaltigkeitsaspekte immer wichtiger und die Schifffahrt muss ihren Beitrag leisten, die Ziele des globalen Klimaschutzabkommens von Paris so schnell wie möglich zu erreichen. Dies ist zugleich ein wesentlicher Baustein unserer erweiterten Nachhaltigkeitsstrategie, die wir im November letzten Jahres vorgestellt haben. In Konsequenz haben wir unsere Strategy 2023 noch stärker auf Qualität und Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Mit welchen konkreten Maßnahmen ist das verbunden?

Unter dem Motto „Prepare For Tomorrow“ werden wir in den nächsten zwei Jahren interne Komplexitäten reduzieren und dadurch das Kundenerlebnis verbessern, zum Beispiel indem wir unser Netzwerk straffen, unsere Flotte optimieren und unsere Transhipments in ausgewählten Hubs konsolidieren. Zweitens werden wir unseren Anspruch, die Nummer eins für Qualität zu sein, konsequent weiter umsetzen und dabei noch digitaler werden und weiter in attraktiven Nischen und Regionen wachsen, denn wir möchten unseren weltweiten Marktanteil von 10 Prozent (ohne Intra-Asien) halten. Drittens werden wir verstärkt in unser Team, nachhaltige Vermögenswerte und unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit investieren und loten dabei auch verstärkt anorganische Wachstumsoptionen aus. Darüber hinaus haben wir unsere Strategy 2023 mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ um einen vierten Schwerpunkt ergänzt und uns neue konkrete Ziele gesetzt: Wir wollen die CO₂e-Intensität unserer gesamten Flotte bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent senken und bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein.

Wie spiegelt sich die Geschäftsentwicklung in den Ergebnissen wider und wird es erneut eine Dividende geben?

Mit mehr als 9 Milliarden Euro haben wir im Jahr 2021 ein außerordentlich starkes Konzernergebnis erzielt und dieses gegenüber dem Vorjahr nahezu verzehnfacht. Zugleich haben wir erhebliche Investitionen in unsere Schiffs- und Containerflotte vorgenommen und unsere Marktposition in Afrika mit der erfolgreichen Übernahme der Reederei NileDutch deutlich ausgebaut. Die Rentabilität auf das investierte Kapital haben wir deutlich gesteigert und damit erneut unsere Kapitalkosten mehr als verdient. Mit einem Free Cashflow von mehr als 9 Milliarden Euro und einem Eigenkapital von mehr als 16 Milliarden Euro blicken wir auf eine sehr solide Finanz- und Vermögenslage. Unsere verbesserte Ertragskraft und die kontinuierliche Optimierung unserer Bilanzstruktur wurde zudem mit Ratinganhebungen durch Standard & Poor’s und Moody's gewürdigt. Somit blicken wir auf eine sehr positive Unternehmensentwicklung, von der auch unsere Aktionäre profitieren sollen. Deshalb schlagen Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung gemeinsam vor, eine Dividende in Höhe von 35 Euro je Aktie auszuschütten.

Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie für das laufende Geschäftsjahr?

Wir gehen davon aus, dass sich die Nachfrage und die Spotraten im ersten Halbjahr weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen werden. Die Engpässe in den globalen Lieferketten lösen sich leider nicht von heute auf morgen auf – allerdings bleiben wir optimistisch und rechnen mit einer schrittweisen Verbesserung der Marktsituation im weiteren Jahresverlauf. Das erwartete Wachstum der globalen Wirtschaft und des Welthandelsvolumens dürfte sich zudem in einer steigenden Nachfrage nach Containertransporten widerspiegeln. Zugleich sollte sich der weltweite Kapazitätszuwachs bei den Containerschiffen ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres bewegen. Mittelfristig erwarten wir insgesamt ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage. 

Aufgrund etwaiger weiterer Virusvarianten und einem möglichen Andauern einer pandemischen Situation sowie der derzeitigen Entwicklungen in der Ukraine bleiben unsere Prognosen jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Wir werden weiterhin alles daran setzen, flexibel zu reagieren und dabei die Interessen unserer Eigentümer, Kunden und Mitarbeitenden fest im Blick behalten. Zugleich bedanke ich mich ganz besonders herzlich für das Vertrauen und die intensive Zusammenarbeit in diesem außerordentlichen Geschäftsjahr.

Herr Habben Jansen, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.